Nicht-nachhaltige Verbrauchs- und Produktionspraktiken führen nicht nur zu einer unerwünschten Beeinflussung von ökologischen Schutzgütern und damit zusammenhängenden Ökosystemleistungen, sondern auch zu einer wesentlichen Belastung der Gesundheitssysteme.

 

Um entsprechende Zielvorgaben im Bereich Umwelt und Gesundheit möglichst effektiv und widerspruchsfrei zu verfolgen, sollte der Agrar- und Ernährungsbereich aufgrund seines großen Einflusspotentials als Gesamtsystem betrachtet werden. Vor der Maßgabe einer gesundheitlich optimalen Ernährung stehen zur Reduzierung umweltbelastender Effekte prinzipiell drei Strategien zur Verfügung:

  1. Effizienzsteigerungen durch technische Innovationen in der gesamten Prozesskette sowie durch landwirtschaftliche Produktionsweise (konventionell, ökologisch, konv.-/ökol.-optimiert). Dabei sind jedoch Reboundeffekte möglich.

  2. Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten und -abfällen in Produktion, Distribution und beim Verbraucher

  3. Umstellung von Ernährungsmustern durch den Austausch ressourcenintensiver durch ressourceneffizientere Nahrungsmittel und Getränke.

Da die Einsparpotentiale von technischen Maßnahmen (Effizienzsteigerungen) und aus der Vermeidung von Nahrungsmittelabfällen auf unter 20% geschätzt werden (McMichael et al. 2007, Weidema et al. 2008), können wirkliche Umweltgewinne nur erreicht werden, indem umweltfreundlichere Verbrauchsmuster etabliert werden. Die Ergebnisse dieser Arbeit haben gezeigt, dass die Einsparpotentiale von veränderten Ernährungsmustern bis zu 90% betragen können (Ammoniakemissionen bei Umsetzung der Empfehlungen einer veganen Ernährung).

Werden die relativ moderaten Ernähungsempfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) zu Grunde gelegt, sind immer noch Entlastungen in Höhe von 15 – 20% zu erwarten. Durch eine Verringerung vermeidbarer Nahrungsmittelabfälle können zudem durchschnittliche Einsparpotentiale in Höhe von 10% erreicht werden. Insgesamt sind somit verbrauchsseitige Veränderungen wirksamer als produktionsseitige Maßnahmen.

Demnach sollten alle drei Strategien mindestens gleichermaßen verfolgt werden. Werden von Seiten der Politik, der Wirtschaft oder anderen Institutionen und Verbänden Maßnahmen ergriffen, um verbrauchsseitige Entlastungspotentiale auszunutzen, sollte jedoch berücksichtigt werden, dass nicht alle Verbraucher gleichermaßen zu ernährungsbedingten Umweltentlastungen beitragen. Als Zielgruppe sollten vornehmlich Männer im jüngeren und mittleren Alter angesprochen werden. Nichtsdestotrotz sind Einsparpotentiale auch bei der weiblichen Bevölkerung vorhanden.

Der Vergleich mit der Verzehrssituation Ende der 1980er Jahre hat gezeigt, dass innerhalb von 20 Jahren Verzehrsänderungen stattfanden, die zu deutlichen Umweltentlastungen in Höhe von 10 – 20 % geführt haben. Eine Ausnahme stellt jedoch der Bedarf an blauem Wasser dar.

 

Ernährungspolitik umgestalten

Die größten Umweltschutzpotentiale würden sich aus einer veganen, gefolgt von einer ovo-lakto-vegetarischen Ernährungsweise ergeben. Bei den derzeitigen Produktionsstrukturen im deutschen Agrar- und Ernährungssektor wären diese Ernährungsweisen, landesweit umgesetzt, mit einer teilweisen Verlagerung der Produktion und daran gekoppelter Umweltwirkungen ins Ausland verbunden. Die Umweltschutzpotentiale im Inland sind jedoch deutlich größer als die zusätzliche Umweltbelastung, die im Ausland anfallen würde. Um die Verlagerung ins Ausland zu vermeiden, müssten steuerungspolitische Maßnahmen diesen positiven Nettoeffekt derart flankieren, dass Produktionsanreize bei den entsprechenden Produkten für hiesige Erzeuger geschaffen werden. Ein Ausbau der Produktionskapazitäten im Inland wäre bei folgenden Kulturen zur menschlichen Ernährung möglich und nötig: Hülsenfrüchte/Leguminosen, Gemüseerzeugnisse sowie Nüsse und Samen.

Aus Sicht des öffentlichen Gesundheitsschutzes sollte die Empfehlung einer veganen Ernährungsweise jedoch genau geprüft werden, da das Risiko einer potentiellen Unterversorgung bei bestimmten Bevölkerungsgruppen (Säuglinge, Kinder, Kranke, Schwangere, Stillende, ältere Menschen) höher ist als bei anderen Ernährungsweisen. Nichtsdestotrotz zeigt die Praxis in den USA und in Australien, dass Empfehlungen bezüglich einer ovo-lacto-vegetarischen, aber auch einer veganen Ernährungsweise in den offiziellen Katalog der Ernährungsrichtlinien aufgenommen werden können. Dabei gelten die Empfehlungen unter bestimmten Einschränkungen dort ab dem zweiten Lebensjahr (DGE 2016, NHMRC 2013, USDA/USDHHS 2010).

 

Solide Datenbasis erforderlich

In Anbetracht der gravierenden Umweltschutzpotentiale, die sich aus diesen beiden Ernährungsweisen ergeben, sollte über eine entsprechende Erwähnung in den Richtlinien der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) nachgedacht werden. Um die Risiken einer möglichen Untersorgung mit essentiellen Nährstoffen – maßgeblich zu nennen sind Eiweiß, Vitamin B12 und Calcium - in potentiell unterversorgten Bevölkerungsgruppen bei einer veganen Ernährung zu minimieren, sollten die Empfehlungen gruppenspezifisch in Abhängigkeit vom jeweiligen Versorgungsstatus ausformuliert werden.

Des weiteren ergeben sich Schlussfolgerungen im Bereich der Datengrundlage. Politische Entscheidungen sollten evidenzbasiert sein und setzen daher eine solide Beurteilungsgrundlage voraus. In das Forschungsprojekt sind aus dem Bereich der nationalen Ressortforschung die Ergebnisse aus den beiden in Deutschland durchgeführten Nationalen Verzehrsstudien und die Ergebnisse aus den Umweltökonomischen Gesamtrechnungen im Bereich Landwirtschaft, die um Angaben aus der offiziellen Agrarstatistik ergänzt wurden, eingegangen.

Um ernährungsökologische Fragestellungen mit nationaler Reichweite zukünftig weiterhin beantworten zu können, sollten die genannten Datengrundlagen nicht nur regelmäßig aktualisiert, sondern um weitere Aspekte ergänzt werden. Im Rahmen von Verzehrsstudien sollten zusätzliche soziodemographische Daten mit ernährungsökologischer Reichweite erhoben werden, wie Angaben zum Einkaufsverhalten, Müllaufkommen, der Küchenausstattung, Selbstversorgung etc. Für die Umweltökonomischen Gesamtrechnungen im Bereich Landwirtschaft ist wichtig, dass diese einerseits über das Jahr 2010 hinaus fortgeschrieben werden. Zum anderen sollten sie um weitere umweltrelevante Punkte erweitert werden. Zu nennen sind hierbei die Aufnahme weiterer Umweltindikatoren, der Fischereiwirtschaft und des Ernährungsgewerbes.

Um einen „wirklich nachhaltigen Entwicklungspfad“ im Bereich Landwirtschaft und Ernährung einzuschlagen, ist es ferner notwendig, Nachhaltigkeitsanalysen zu routinieren und fest in betriebs- und volkswirtschaftliche sowie politische Entscheidungsprozesse einzubinden.

 

Quellen:

Meier, T. (2014): Umweltschutz mit Messer und Gabel - Der ökologische Rucksack der Ernährung in Deutschland. oekom-Verlag, München. Buchvorstellung

 

Meier, T., O. Christen, E. Semler, G. Jahreis, L. Voget-Kleschin, A. Schrode, M. Artmann (2014): Balancing virtual land imports by a shift in the diet: Using a land balance approach to assess the sustainability of food consumption. In: Appetite 74: 20-34.

 

Meier, T., O. Christen (2013): Environmental Impacts of Dietary Recommendations and Dietary Styles: Germany As an Example. In: Environ. Sci. Technol 47 (2): 877–888.

 

Meier, T., O. Christen (2012): Gender as a factor in an environmental assessment of the consumption of animal and plant-based foods in Germany. In: International Journal of Life Cycle Assessment 17 (5): 550 - 564

 

 

Link zu Publikationen